Mittwoch, 30. Dezember 2009

2000-2009: "Die große Null"?

Associated Press haben in Ihrer heutigen Meldung das wirtschaftliche Geschehen der auslaufenden Dekade Revue passieren lassen und es als "Jahrzehnt der Spekulationsblasen" bezeichnet (siehe fast gleichlautende Artikel z.B. auf Yahoo! Finance und Hamburger Abendblatt):
"Die Dekade begann mit dem Hype um Internetunternehmen, doch die New-Economy-Blase platzte. Sie endet mit den Folgen der schwersten Finanzmarktkrise seit den 1930er Jahren. [...] Anleger liefen zwischen 2000 und 2009 in Scharen vermeintlich guten Ideen hinterher, nur um zuletzt vor einem Scherbenhaufen zu stehen."
AP macht sich insbesondere auf die Meinung Paul Krugmans zu eigen, der das Jahrzehnt als "Die große Null" bezeichnet hat, da weder die Aktien- noch die Arbeitsmärkte seit der Jahrtausendwende kaum zugelegt hätten. Der richtige Moment, sich den Verlauf der letzten zehn Jahre einmal genauer anzuschauen.
Vergleicht man zunächst einmal die aktuellen Stände mit denen Ende 1999, zeigt sich dass sowohl der amerikanische als auch der deutsche Leitindex in dieser Zeit sogar deutlich eingebüßt haben: der Dow Jones Industrial Average (DJIA) 8%, der Deutsche Aktienindex (DAX) 14%.
Da es sich beim DAX um einen Performanceindex handelt, sind hier die Dividendenausschüttungen bereits im Kurs enthalten und der ausdauernde Investor hat tatsächlich eine Negativrendite zu verbuchen.
Wie wichtig in diesen Marktphasen ein gutes Timing ist, zeigt nun aber folgende Alternativrechnung, die gewissermaßen den "allwissenden Investor" unterstellt, um ein Maß für die "potentielle Rendite" zu erhalten. Um in keine Diskussionen bzgl. der Transaktionskosten zu kommen, habe ich dabei nur folgende 8 Käufe bzw. Verkäufe unterstellt:

DatumTransaktionDAXRendite
(Buy & Hold)
Rendite
("allwissend")
31.12.1999Kauf6958,140%0%
07.03.2000Verkauf8064,9716%16%
21.09.2001Kauf3787,23
-46%
16%
28.03.2002Verkauf5397,29
-22%
65%
12.03.2003Kauf2202,96-68%65%
16.07.2007Verkauf8105,6916%508%
06.03.2009Kauf3666,41-47%508%
30.12.2009Verkauf5957,43-14%888%

Während der ausdauernde Investor mit seiner Hold-and-Buy-Strategie also die erwähnten 14% Verlust einfährt, hätte der "allwissende" Investor sein Vermögen fast verneunfacht - und das obwohl er nur knapp sechs Jahre im Aktienmarkt investiert war (aber eben in den "richtigen" Zeiträumen).

Von diesen Zahlen sollte man sich natürlich nicht blenden lassen, denn die idealtypische "Traumrendite" des allwissenden Investors bleibt im Allgemeinen genau das - der Traum jedes Marktteilnehmers. Dies illustriert aber dennoch, dass die zunehmende Volatilität an den Aktienmärkten eben auch eine Chance darstellt: die Chance, bei intensiver Marktbeobachtung deutlich positive Renditen zu erwirtschaften.

Sonntag, 6. Dezember 2009

Kleiner Pressespiegel: November 2009

Einige interessante Artikel der letzten Wochen:
  • Vorsicht, Panik (Zeit Online, 26.11.2009)
    Ist die Angst vor der nächsten Blase schlimmer als die Blase selbst?

  • Wir machen uns die Welt wie sie uns gefällt (Südkurier, 26.11.2009)
    Verhindert zukünftig ein "Emo"-Armreif, dass die Händler von ABN Amro irrationale Entscheidungen treffen?
    (den ausführlicheren Blog-Artikel des Autors gibt's im Pixelökonom)

Sonntag, 3. Mai 2009

Rezension: "Animal Spirits" (Akerlof/Shiller, 2009)

Der Begriff "Animal Spirits" geht auf den britischen Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes zurück. Dieser beschrieb in seiner bereits 1936 veröffentlichten General Theory of Employment, Interest and Money, dass ein Großteil des menschlichen Handelns nicht allein auf rationalen Abwägungen sondern vielmehr auf einer spontanen, logisch nicht erklärbaren Eingebung beruht - dem "animal spirit".

Keynes kam dabei zu der Einsicht, dass der Staat die (Kapital-)Märkte daher keineswegs sich selbst überlassen und auf eine Selbstregulation hoffen sollte. Vielmehr sondern behutsam steuernd in die Märkte eingegriffen und so den "Animal Spirits" entgegen gewirkt werden.

Keynes ist also gerade in heutiger Zeit ein echter Sympathieträger. Es verwundert daher nicht, dass die Ökonomen George A. Akerlof und Robert Shiller - beide ebenso bekannte wie langjährige Kritiker der verbreiteten Lehrmeinung - die Chance nutzen und ihre eigene Auffassung der wirtschaftlichen Zusammenhänge einem breiten Publikum präsentieren.

[wird fortgesetzt]

Sonntag, 25. Januar 2009

IWF-Studie zur "Taxonomie des ökonomischen Grauens"

Durch einen Artikel im Handelsblatt ("Das Grauen: Die Spielarten von Rezessionen", 10.01.2009) bin ich auf ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds (IWF) gestoßen, in dem 122 Rezessionen seit 1960 in Hinblick auf die damals herrschenden wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen analysiert wurden.

Der Abstract bringt das Ergebnis auf den Punkt:
"In particular, we analyze the implications of 122 recessions, 112 (28) credit contraction (crunch) episodes, 114 (28) episodes of house price declines (busts), 234 (58) episodes of equity price declines (busts) and their various overlaps in these countries over the sample period.

Our results indicate that interactions between macroeconomic and financial variables can play major roles in determining the severity and duration of recessions.

Specifically, we find evidence that recessions associated with credit crunches and house price busts tend to be deeper and longer than other recessions."
Durch die Executive Summary wird der letzte Satz noch besser greifbar:

  • The typical recession lasts almost 4 quarters and is associated with an output drop of roughly 2 percent (Figure A). Most macroeconomic and financial variables exhibit procyclical behavior during recessions. While recessions have been becoming shorter and milder over time, they remain highly synchronized across countries. Moreover, recessions often coincide with the episodes of contractions in domestic credit and declines in asset prices.

  • Episodes of credit crunches, house price and equity price busts last much longer than recessions do. For example, a credit crunch episode typically lasts two-and-a-half years and is associated with nearly a 20 percent decline in credit. A housing bust tends to persist even longer—four-and-a-half years with a 30 percent fall in real house prices. And an equity price bust lasts some 10 quarters and when it is over, the real value of equities drops by half.

  • In one out of six recessions, there is also a credit crunch underway, and in one out of four recessions a house price bust. Equity price busts coincide with one-third of recession episodes. There can be considerable lags between financial market disturbances and real activity. A recession, if one occurs, can start as late as four to five quarters after the onset of a credit crunch or housing bust.

Der Fall Madoff: Ponzi lässt grüßen

Mitte Dezember 2008 war es soweit: der vermutlich größte Finanzbetrug eines Einzelnen kam an die Öffentlichkeit und der Verantwortliche - Bernard Madoff - bezeichnete sein bis dahin florierendes Unternehmen als "one big lie".

50.000.000.000 US$ sollen durch sein Geschäftsmodell vernichtet worden sein. Dabei handelte es sich um ein klassisches Schneeballsystem, das nach einem klassischen Fall aus den 1920er Jahren im angelsächsischen Raum auch "Ponzi Scheme" genannt wird.

Dass ein Betrug solch eines Ausmaßes auch in heutigen Zeiten noch funktioniert, hängt aus meiner Sicht unmittelbar mit dem großen Vertrauen zusammen, dass die Anleger dem früheren NASDAQ-Mitbegründer entgegen gebracht haben.

Wikipedia definiert ein Schneeballsystem wie folgt:

"Als Schneeballsystem oder Pyramidensystem werden Geschäftsmodelle bezeichnet, die zum Funktionieren eine ständig wachsende Zahl Teilnehmer benötigen. Gewinne für Teilnehmer entstehen beinahe ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer einsteigen und Geld investieren. In den meisten Ländern sind diese Systeme mittlerweile verboten."
Für diejenigen, die gerne selbst einmal ein solches System durchspielen möchten, habe ich auf meiner Homepage ein kleines Excel-Tool zur Verfügung gestellt. Über Feedback zu dem Tool würde ich mich freuen.

Kleiner Pressespiegel

Google Alerts hat in den vergangenen Tagen einige - z. T. ältere, aber dennoch interessante - Artikel an Tageslicht gefördert:

Princeton-Forscher Markus Brunnermeier: Bernankes Schüler
(SZ, 30.05.2008)

Am
Bendheim Center for Finance an der Universität Princeton wird untersucht, wie Spekulationsblasen "entschärft" werden können. Nach der Einschätzung der Forscher kann eine Spekulationsblase auch dann bestehen bleiben, wenn viele Marktteilnehmer sich über deren Existenz im klaren sind. Dies sei vor allem auf ein Informationsdefizit zurückzuführen: Erst wenn alle Investoren sich der Blase bewusst werden (z.B. durch ein weithin sichtbares Ereignis), könne diese zum Einsturz gebracht werden.

Finanzkrise: Der Weg in das Milliarden-Desaster
(FAZ, 31.12.2008)

Kompakte Übersicht zu den geldpolitischen Hintergründen der Finanzkrise. Es wird weniger auf den Auslöser der Krise (US-Hypothekenmarkt, Kreditverbriefung), sondern auf einen möglichen Hauptgrund für den "Dominoeffekt" eingegangen: die im Vergleich zum Kreditvolumen relativ geringen Eigenmittel der Banken und Hedge Fonds.

FAZ-Artikelserie zur Behavioral Finance

Das Thema Behavioral Finance hat im Zuge der jüngsten Kapitalmarktentwicklungen auch Einzug in die FAZ gefunden.

Eine ganze Artikelreihe widmet sich verschiedenen Aspekten, über die sich nicht nur Investoren bewusst sein sollten.

Es schadet sicherlich nicht, sich bei jeder wichtigen Entscheidung zu fragen, ob diese auf rationalen Überlegungen basiert oder ob man vielmehr einer der "menschlichen" Falle auf den Leim gegangen ist.

  1. Dem Anleger in den Kopf geschaut
    (20.11.2008)
    Was ist Behavioral Finance? Wie unterscheiden sich die Marktteilnehmer vom wissenschaftlichen Modell des "rationalen Investors"?

  2. Die heiße Hand und der Spielerirrtum
    (22.11.2008)
    Das Phänomen "Repräsentativitätsheuristik": Der Mensch tendiert dazu, aus wenigen Beobachtungen einen Trend ableiten zu wollen, d.h. die Beobachtungen als repräsentativ zu erachten - auch wenn diesen unter Umständen rein zufällige Ursachen zugrunde liegen.

  3. Der Fluch des Eigentums
    (24.11.2008)
    Das Phänomen "Besitztumseffekt": Der Mensch schätzt den Wert eines Objektes höher ein, wenn es sich in seinem Besitz befindet.
    Das Phänomen "Status-quo-Fehler": Der Mensch tendiert dazu, den bestehenden Zustand einer Veränderung vorzuziehen.

  4. Die Angst des Verlierers vor dem Verlust
    (27.11.2008)
    Das Phänomen "Dispositionseffekt": Der Mensch hat Angst vor Verlusten, trennt sich daher zu spät von verlustbringenden Investments.

  5. Wenn die Telefonnummer unsere Urteilskraft lähmt
    (10.12.2008)
    Das Phänomen "Verankerungsheuristik": Der Mensch basiert seine Entscheidungen auf Daten (sogenannte Anker), die in keinem Zusammenhang zu dem eigentlichen Problem bestehen.

  6. Das habe ich ja kommen sehen
    (11.12.2008)
    Das Phänomen "Rückschaufehler": Der Mensch glaubt im Nachhinein, ein Ereignis vorhergesehen zu haben.

  7. Übermut tut dem Portfolio selten gut
    (18.12.2008)
    Das Phänomen "Überoptimismus": Der Mensch tendiert dazu, seine eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.

  8. Die List des Odysseus im Kampf gegen das Gehirn
    (14.01.2009)
    Das Phänomen "Zeitinkonsistenz": Der Mensch tendiert dazu, gegenwärtige Belohnungen höher als zukünftige Belohnungen zu bewerten.