Montag, 30. Mai 2011

Emotionen und Märkte, oder: Der manisch-depressive Anleger

Die aktuelle Ausgabe der "Global Investors"-Reihe (herausgegeben von der Credit Suisse) beschäftigt sich auf rund 50 Seiten mit dem Thema Behavioral Finance. 
Sehr gelungen fand ich folgende Grafik zur Gemütslage der Anleger in den jeweiligen Marktphasen - schöner kann man das Sentiment eigentlich nicht darstellen:
Quelle: Credit Suisse Global Investor 1.11, Mai 2011

In dem Beitrag von Lars Kalbreier zu den Grenzen der Rationalität bin ich auch erstmals auf den Vergleich des Kapitalmarkts mit einem Manisch-Depressiven gestoßen, der Benjamin Graham (Vater der Fundamentalwertanalyse) zugeschrieben wird. 

In seinem 1949 erstmals veröffentlichten The Intelligent Investor entwickelt Graham folgende Parabel des Mr. Market:
"Imagine that in some private business you own a small share that cost you $1,000. One of your partners, named Mr. Market, is very obliging indeed. Every day he tells you what he thinks your interest is worth and furthermore offers either to buy you out or to sell you an additional interest on that basis. Sometimes his idea of value appears plausible and justified by business developments and prospects as you know them. Often, on the other hand, Mr. Market lets his enthusiasm or his fears run away with him, and the value he proposes seems to you a little short of silly."
Die explizite Diagnose "manisch-depressiv" bzw. "bipolar" stellten somit zwar erst nachfolgende Generationen (Jason Zweig in seinem Kommentar zu Kapitel 8 der überarbeiten Fassung von 2003), aber das macht den Vergleich nicht weniger treffend.

Die Wissenschaft hat sich des Themas mittlerweile ebenfalls angenommen. So zum Beispiel ein Team um den Psychologien Wolfgang Sperling von der Universität Erlangen-Nürnberg, das dem Kapitalmarkt in einem 2008 erschienenen Paper ein "global panic disorder" diagnostiziert und ein Jahr später dann auch therapeutische Ansätze vorstellt.